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Mit Spitzenköchin Caroline Autenrieth

Folge 136: Mit Spitzenköchin Caroline Autenrieth auf dem Heslacher Friedhof

Frauen in der Spitzenküche gibt’s nicht viele. Frauen mit Theologiestudium noch weniger: Caroline Autenrieth war auf dem besten Weg Pfarrerin zu werden, doch daraus wurde nichts. Grund dafür war Vincent Klink, oder korrekt: das Drei-Sterne-Restaurant Le Petit Nice in Marseille. Um zu erklären, wie es dazu kam, muss die SWR-Fernsehköchin weiter ausholen. So stehen wir auf dem Heslacher Friedhof, in dessen unmittelbarer Nähe sie seit knapp drei Jahren wohnt, und reden über ihren Werdegang und Stationen in den Sterneküchen von Marseille und Paris.

„In meiner Familie haben eigentlich alle Theologie studiert“, sagt die Köchin, die aktuell in der Kochsendung „Kaffee oder Tee“ den Löffel schwingt. Sie kommt aus einer Pfarrersfamilie, ihr Vater Konrad Autenrieth ist Leiter der evangelischen Gemeinde in Kernen-Stetten. „Das Studium hat Spaß gemacht, aber als ich ins Vikariat kam, war das Ganze irgendwie nicht mehr spannend für mich.“ Die Stuttgarterin sucht nach den richtigen Worten. „Es war wie zuhause sein“, beschreibt sie dann das Gefühl, „der Kick hat gefehlt.“ Sie fragte sich: War’s das jetzt?

Die Antwort fand sie um zwei Uhr nachts auf Youtube. „Ich konnte nicht schlafen, habe mich durch die Videos gezappt und landete irgendwann bei einer Dokumentation über das Le Petit Nice.“ Wie auf Knopfdruck fangen ihre Augen an zu leuchten, als sie über das mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete Res-taurant an Marseilles Küste erzählt: „Das will ich machen, da will ich hin.“ Der Beschluss war gefasst, der Weg zum Ziel aber unklar.

Dann erinnert sich die angehende Pfarrerin daran, wie ihr Vater immer vom Stuttgarter Sterne- und Fernsehkoch Vincent Klink geschwärmt hat. „Auch das Thema Essen ist bei meiner Familie omnipräsent“, erklärt die Köchin schmunzelnd. „Unser Whatsapp-Chatverlauf dreht sich zu 50 Prozent darum, was man gekocht oder gegessen hat.“

Noch in derselben Nacht schreibt sie Klink eine Mail mit ihrem Anliegen und bittet ihn um Rat. Der meldet sich zu ihrem Erstaunen direkt am nächsten Morgen zurück und lädt sie ein, in seinem Lokal in Stuttgart-Degerloch vorbeizukommen. Von ihrem Plan, nach Frankreich zu gehen, um sich dort als junge deutsche Frau um eine Kochausbildung im Sternesegment zu bemühen, rät der Sternekoch ihr allerdings ab. Nach einem Probetag in der Wielandshöhe liegt aber das Angebot auf dem Tisch, sich in seinem Restaurant zur Köchin ausbilden zu lassen, „auch, wenn er zu dem Zeitpunkt eigentlich keine Lehrlinge mehr ausgebildet hat“, sagt Autenrieth.

Während sie von ihrer Zeit in der Klink’schen Küche erzählt, gerät sie ins Schwärmen: „Ich habe nicht einen einzigen Tag bereut, diesen Weg eingeschlagen zu haben!“ Kochen ist ihre große Leidenschaft, „damit kann man Leuten unmittelbar eine große Freude bereiten“, erklärt sie ihre Passion.

Dass es als Frau in der Spitzengastronomie nicht immer einfach ist, will sie nicht beschönigen: „Klar, kommt da auch mal der eine oder andere blöde Macho-Spruch. Aber wenn man sich davon nicht beeindrucken lässt, räumt sich das Problem schnell selbst aus dem Weg, das hat mir meine Erfahrung gezeigt“, erzählt sie. Dass sich die Gastroszene im Umgang miteinander, in einer Phase der Besserung befindet, bemerkt die Köchin ebenfalls. „Irgendwann hat man gemerkt, dass man, um einen Nachwuchs in der Branche sicherzustellen, bessere Bedingungen schaffen muss, sodass die Leute nicht ständig unter Druck stehen und ausrasten“, stellt sie fest.

Nach ihrer dreijährigen Ausbildung zog es die Stuttgarter Köchin nach Frankreich: Den Traum vom Le Petit Nice hatte sie nicht vergessen. Der Plan? Vorbeigehen und sich bewerben. „Alle in meinem Umkreis haben angemahnt, nicht enttäuscht zu sein, wenn's nicht klappt“, erinnert sich die Stuttgarterin. „Sie würden ohnehin nur Leute von den großen Kochschulen in Frankreich aufnehmen.“ Sie sollten sich irren.

Nach einem Dinner im Le Petit Nice knöpfte sich die Köchin am Ende des Abends den Chef vor und drückte ihm ihre Bewerbungsunterlagen in die Hand – mit Erfolg. Er lud sie zum Probearbeiten ein.

Ein Volltreffer war das aber nicht gleich: „Ich sollte einem Fisch die Gräten ziehen und bin verzweifelt: Sie waren dick und steckten so fest drin, dass ich sie nicht herausbekommen und nur herumgestümpert habe.“ Irgendwas scheint sie im Laufe des Tages aber richtig gemacht zu haben: Nach der Schicht, um zwei Uhr nachts, hatte sie den Arbeitsvertrag in der Tasche. Um diese Uhrzeit scheinen die Sterne für Caroline Autenrieth irgendwie besonders gut zu stehen.

Während unseres Spaziergangs hüpft ein Eichhörnchen an uns vorbei. „Deswegen kommen wir so oft hierher“, sagt Autenrieth. „Hier gibt’s Tiere zu entdecken und Plätze zum Nachdenken und Verweilen.“ Und damit meint sie nicht nur den Heslacher Friedhof, sondern das ganze Viertel, das ihr ans Herz gewachsen ist: Auch im Theater am Faden nebenan und bei den Pferdeställen von Aurachers Spedition gibt’s für ihre Kinder viel zu entdecken.

Autenrieth ist mittlerweile verheiratet und zweifache Mutter. Ihren Mann hat sie im Le Petit Nice kennengelernt. Auch er ist Spitzenkoch, kommt ursprünglich aus Mallorca und kam nach einer gemeinsamen Station in Paris mit ihr nach Stuttgart. „Mit Kindern ist es scheiße, wenn man keine Familie zur Unterstützung um sich hat.“ Die Köchin nimmt kein Blatt vor den Mund.

Auch die Sache mit dem Nachtbetrieb in der Gastro war auf Dauer nicht kompatibel mit Kind und Kegel und so verschlug es die Stuttgarterin – nach einem Wiedersehens-Zwischenstopp in der Wielandshöhe – zu den familienfreundlichen Arbeitszeiten von Feinkost Böhm und ins Mittagsprogramm des SWR. Ob ihr bei der Live-Sendung je was in die Hose ging? „Bis auf einen Brand im Ofen, bei dem das Backpapier Feuer gefangen hat und einem ausgehebelten Kühlschrank eigentlich nicht.“

Sobald sich das pandemische Geschehen wieder beruhigt hat, will sie mit ihrem Mann ein Restaurant eröffnen – hier in Heslach natürlich. Französische und spanische Küche soll es geben, dazu eine täglich wechselnde Karte. „Ich möchte jeden Tag die Produkte verwenden, die just in dem Moment am besten und erhältlich sind“, verrät die Stuttgarter Köchin. Außerdem werde ihr auf die Art nie langweilig in der Küche. Langeweile kann Caroline Autenrieth nämlich nicht gebrauchen. 

Dieser Artikel ist aus LIFT 05/21

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