Die Frauenbewegung macht Druck auf die katholische Kirche

Maria 2.0 in Stuttgart

Zahlreiche Frauenschuhe stehen im Mai 2019  im Gang der Stuttgarter Kirche St. Antonius in Hohenheim. Auf Kärtchen stehen die Aufgaben, die Frauen in der Kirche haben: Kommunionsmutter, Lektorin, Wortgottesdienstleiterin. Doch die Schuhe sind gen Tür gerichtet, weil „wir Frauen irgendwann gezwungen sind, die Kirche zu verlassen, wenn es so weiter geht“, sagt Monika Elias von der Initiative Maria 2.0 in Hohenheim.

Damals stand die bundesweite Frauenbewegung aus dem inneren Kreis der katholischen Kirche noch am Anfang. Jetzt, zwei Jahre später, wurde zwar die Theologin Beate Gilles als Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz berufen – Posten wie Diakonin, Priesterin oder Bischöfin bleiben Frauen allerdings weiterhin verwehrt. Deshalb fordern sie eine Reform, die sie Ende Februar in Form von sieben Thesen an die Türen von Kirchen in ganz Deutschland klebten – zwölf Gotteshäuser in Stuttgart und zahlreiche Kirchen in der Region sind darunter.

Neben der Gleichberechtigung stehen auch die Gewaltenteilung, die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen, die Abschaffung des Zölibats und das nachhaltige Wirtschaften darauf. Punkte, die den Frauen am Herzen liegen, auch weil sie das Vertrauen der Gesellschaft in die Institution beeinträchtigen.

2019 traten mehr als 272.000 Menschen in Deutschland aus der katholischen Kirche aus, die höchste Zahl seit mehr als 20 Jahren. Zu altbacken sind die Ansichten und zu präsent die Skandale um veruntreute Gelder und Miss-brauchsfälle. Auch in der Diözese Rottenburg-Stuttgart sind solche Fälle bekannt. Bei einer Studie, die bis ins Jahr 1946 zurückreicht, wurden zuletzt 2002 146 Verdachtsfälle bekannt. Eine unabhängige Kommission kümmert sich seither um die Aufarbeitung.

Doch auch der geistliche Missbrauch ist den Frauen ein Anliegen. „Davon spricht man, wenn Menschen in geistlichen Prozessen manipuliert und zu Dingen verführt werden, die sie eigentlich nicht möchten“, erklärt Claudia Schmidt vom Katholischen Frauenbund in Stuttgart. Das führt  zur inneren Zerrissenheit und Frustration.

Auch Schmidt stößt immer wieder an ihre Grenzen: „Ich erlebe selbst, dass mir Aufgaben verwehrt bleiben, für die ich eine Berufung in mir spüre.“ So entsteht ein innerer Widerspruch. Zwar liebt sie die Kirche, doch die Diskriminierung schmerzt.

Lange Zeit hat deshalb keine etwas gesagt, doch mit der zunehmenden Medienpräsenz lässt sich das Thema nicht mehr auf die lange Bank schieben. „Wir haben einen Reformstau. Doch der Druck wächst. Und es ist gut, dass Frauen Druck machen“, sagt auch Theologe Joachim Drumm, der bei der Diözese die Hauptabteilung Kirche und Gesellschaft leitet. Mitte April sei deshalb ein Termin vereinbart worden, an dem sich die Diözese inklusive Bischof Gebhard Fürst mit den Akteurinnen von Maria 2.0 zusammensetzen will. Über eine Öffnung der Weihämter wird allerdings nicht in Rottenburg, sondern in Rom entschieden. „Das braucht einen langen Atem“, sagt Cäcilie Ufrecht aus Hohenheim.

Ein Austritt kommt allerdings für keine der Frauen in Frage, denn die Kirche ist für sie Heimat und die möchte man sich nicht von amtskirchlichen Entscheidungsträgern nehmen lassen. „Es ist leicht von außen etwas anzuklagen. Ich finde es herausfordernder, von innen etwas bewegen zu wollen“, sagt Monika Elias. Doch das kostet Kraft, deshalb ist Maria 2.0 auch ein Ausweg, „um aus der Ohnmacht herauszukommen und wenigstens laut zu sein“, meint Claudia Schmidt.

Ob Frauen par tout die besseren Amtsträger-innen sind? Nein, „doch sie stehen schon lange auf der wenig machtvollen Seite und würden grundlegende Fragen mitbringen, die alte Strukturen aufbrechen könnten“, erklärt Schmidt. Dabei ist ihr eines wichtig: „Ich rede von Frauen. Aber ich denke auch an die Menschen, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen können. Auch sie müssen gleichberechtigten Zugang zu den Ämtern der Kirche erhalten.“ Amen.      

Dieser Artikel ist aus LIFT 04/21

<< Zurück zur Übersicht

...