„Es soll einfach ein Happy Place werden“, sagt Michaela Korte-Posner, zwischen Bauschutt und offenen Leitungen stehend. Die Stuttgarter Interior-Designerin hat sich vor Kurzem der ehemaligen Kneipe Imme 14 in der Immenhofer Straße im Stuttgarter Süden angenommen und reißt alles raus, macht alles neu, packt ihren Stempel drauf. „Das ist nicht ‚Ich’ gewesen“, erklärt sie ihren Schritt. Und was ist der Stil von Korte-Posner? Mal nahbar, mal cool, mal vintage, mal modern, mal gemütlich, mal stylisch – vom 0711-Agentur-Office über das Mädchenflohmarkt-Pop-up bis hin zum Designsupermarket im Gerber ist die Palette ihrer Arbeiten im Kessel so bunt wie ein Wildblumenstrauß.
Ihr neuestes Blümchen: die neue Bodega-Bar im Schräglage Club, in der auch das aktuelle LIFT-Cover geshootet wurde. Komplett weiß gekachelt, schwarz verfugt, mit Spiegeldecke, glattem schwarzen Boden und schwarz-weißen Möbeln versehen, polarisiert das Projekt die Szene. „Schwimmbad“ und „Metzgerei“ sagen die Hater, „Avantgarde“ und „Eyecatcher“ die Lover. Und Korte? Sagt nichts. Sie seufzt und widmet sich lieber ihrem nächsten Projekt.
Volpe soll die ehemalige Imme 14 im Stuttgarter Süden künftig heißen. „Wie der Fuchs“, erklärt die frischgebackene Barbesitzerin ihre Faszination, während sie über die Baustelle spaziert. „Er ist ein Überlebenskünstler.“ Die Bar soll versetzt, die Toiletten kleiner werden. „Und hier aus dem Fenster soll man raus in den Außenbereich steigen können“, schildert sie ihre Pläne.
Vor allem den will sie wiederbeleben. Das Mozartplätzle soll im Sommer Dreh- und Angelpunkt werden für Leute, die zum Feiern in die Innenstadt weiterziehen oder auf dem Weg von der Arbeit noch was Trinken gehen oder mittags einen Kaffee und Kuchen essen wollen oder oder oder. Auf lange Sicht soll eine größere Speisekarte das Konzept vervollständigen. „Mit leichten Gerichten, Schwäbisches gibt’s hier ja schon genug.“ Sie selbst ist seit Jahren Vegetarierin, achtet auf gute Produkte und ihre Herkunft und Verarbeitung.
Der Rest des Volpe-Konzepts soll sich entwickeln, wünscht sie sich. „Nicht von Anfang an alles festsetzen, sondern den Dingen Zeit geben – das ist viel natürlicher und lässt viel mehr Raum für Überraschungen“, hört man sie sagen und weiß nicht, ob sie es auf die Bar oder aufs Leben bezogen meint.
Als wir den Laden verlassen, erzählt sie, wie schon mehrere Neugierige plötzlich auf ihrer Baustelle standen. Wer„die Neue“ ist und was sie aus der Kiezkneipe macht, hat die Stammkundschaft, AnwohnerInnen und umliegende Gastronomien gleichermaßen schwer beschäftigt. Der florierende Nachbarschaftsfunk trägt aber bereits Früchte: Bei der gegenüberliegenden Espressobar Herbert’z ist man nun schon per Du, beim Zimt und Zucker die Straße runter sowieso und als wir mit Pancakes am Weißenburgplatz sitzen, passieren uns mehrere Bekanntschaften aus dem Viertel, die Hallo sagen möchten. Kein schlechter Start.
„Genau deswegen wollte ich auch in die Hood“, erklärt die Volpe-Macherin. In der Innenstadt kann man vielleicht schnell Geld machen, ihr war aber das Charmante, Nachbarschaftliche, Persönliche und Langfristige wichtig. Denn der Pachtvertrag für die Bar läuft zehn Jahre. „Das ist die längste Verbindlichkeit meines Lebens“, lacht Korte-Posner. Nichts anderes konnte die Kreative bisher so lange an sich binden.
Aufgewachsen in Stuttgart Fasanenhof zieht sie bereits in jungen Jahren in die Stuttgarter Innenstadt. Will dort sein, wo was los ist. Um sich ihr Brotgeld zu verdienen, streift die Achtzehnjährige über die Königstraße, bewirbt sich bei den Läden, die ihr „optisch gefallen“, wie sie erzählt, und fängt beim bestbezahlten Job an. „Ich habe gerne im Verkauf gearbeitet“, erinnert sie sich, „du hast immer was zu tun, die Aufgaben sind klar und du kannst immer daran arbeiten, dass es geiler läuft.“ Und das macht die junge Frau. „Warum manche Leute was geschenkt haben wollen, verstehe ich nicht“, sagt sie, „man kann es sich doch erobern.“
Sie steigt die Karriereleiter empor, wird Store Managerin und Merchandise-Beauftragte für Süddeutschland und entscheidet sich dann doch für eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation. „Mich hat gestört, dass man sich von manchen Kunden und Kundinnen zur ungelernten Arbeitskraft degradiert gefühlt hat“, erklärt Korte-Posner. Dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird, ist ihr wichtig. Auch wenn sie ungern über sie redet. „Ich mag’s, wenn die Dinge für sich sprechen, statt dass ich über sie spreche“, findet sie. Online ist kaum etwas über sie herauszufinden. Auf den Fotografien, die sie auf den Sozialen Medien veröffentlicht, ist sie so gut wie nie selbst abgebildet.
Und doch kennt sie die halbe Stadt. Viele davon noch aus der Zeit, als sie nach der Ausbildung und einer kurzen Etappe im Marketing, auf verschiedenen Stadtfesten, in diversen Stuttgarter Szene-Bars und -Clubs so wie in der damals frisch eröffneten Geschwisterliebe-Boutique gearbeitet hat. Dort geht heute wie damals die Stuttgarter Szene ein und aus, Korte-Posner lernt zwischen Fashion und Sekt wichtige Wegbereiter kennen.
Dann: Mit 30 zieht sie die Reißleine, will ihr eigenes Ding machen. Sie kündigt alle Jobs, macht sich selbstständig und gründet Innerview: ein Projekt, das als Porträtreihe startet, bei der Stuttgarter Persönlichkeiten ihren „inner View“ auf die Stadt verraten und sich mittlerweile um zahlreiche andere Facetten, wie Fotografie und eben Interior-Design, weiterentwickelt hat. „Ich habe schon immer gerne viele unterschiedliche Dinge gemacht“, erinnert sich Korte-Posner. Und obwohl ihr von allen Seiten geraten wurde, ihr Konzept kurz und prägnant zu formulieren, setzte sie ihre eigene Vision durch: „Bei mir waren’s statt drei Sätzen halt immer zehn oder zwölf“, sagt sie über ihre ersten Gehversuche mit dem eigenen Unternehmen. „Und das ist okay so.“
Nach dem Auftrag das Pop-up des Mädchenflohmarkts in Stuttgart zu gestalten und zu managen, folgten viele weitere. Unter anderem wird sie von Janusch Munkwitz für die Gestaltung der Stuttgarter Jägermeister-WG dazugebucht. Die Spirituosenmarke lanciert zu jener Zeit zahlreiche Projekte in der Landeshaupt, bei denen Korte-Posner oft mit im Boot sitzt und bei einem von ihnen, der sogenannten Heimatküche, ihren Mann, Steffen Posner vom Label Chimperator, kennenlernt. Der gemeinsame Sohn geht bald in die Schule.
Auch deswegen hat Michaela Korte-Posner sich nun festgelegt für die nächsten zehn Jahre. Kinder brauchen geregelte Abläufe und Korte-Posner möchte möglichst oft die Kinderbetreuung selbst wuppen. „Meine Familie ist das Wichtigste“, beteuert sie. Dass sie durch die Volpe und andere Projekte aber auch noch Gesprächsthemen neben Kindersachen hat, findet sie auch nicht schlecht.
Petra Xayaphoum