Lange war künstliche Intelligenz (KI) nur ein Thema für Science-Fiction-Romane und Zukunftsforschende. Mittlerweile wird sie in unserem Leben immer präsenter. KI-gestützte Sprachassistenz-Systeme wie Alexa oder Siri lassen nur erahnen, wie sich unser Alltag und unsere Arbeitsweise noch verändern wird. Der neue KI-Chat-Bot GPT-3 etwa schreibt heute schon problemlos und in Windeseile ganze Bücher.
Die Bildende Kunst interessiert sich schon lange für selbstdenkende und -handelnde Maschinen. Schon in den 1960ern experimentierte man damit und ließ sie von sich aus zeichnen. In den vergangenen Jahren haben Kunstschaffende die KI aber nicht mehr nur zum Erstellen von Werken verwendet, sondern vermehrt auch auf die Tragweite der gesellschaftlichen Veränderungen hingewiesen, die der Einsatz von KI mit sich bringt.
Solchen Arbeiten widmet sich die Ausstellung im Kunstmuseum mit dem Titel „Shift. KI und eine zukünftige Gemeinschaft“. Sie zeigt Positionen von acht zeitgenössischen KünstlerInnen, die den Charakter von KI ergründen.
Zu sehen ist unter anderem die Installation Social Sim von Videokünstlerin Hito Steyerl. Mit ihren visuell beeindruckenden und hintergründigen Werken zählt Steyerl aktuell zu den einflussreichsten Personen der Kunstwelt. In SocialSim (Bild u. re.) lässt sie eine KI zu gesellschaftspolitischen Themen Modellsimulationen errechnen, die auf Parametern aus der Verhaltensforschung beruhen. Das dabei entstehende computergenerierte Bildmaterial zeugt in seiner chaotischen Unübersichtlichkeit vor allem vom fehlenden Verständnis unserer Wahrnehmung für überkomplexe Systeme.
Eine Ungenauigkeit, die der KI innewohnen kann, verdeutlichen von der Decke hängende Gesichtsmasken in Heather Dewey-Hagborgs Installation „Probably Chelsea“ (Bild o.). Die Antlitze erzeugte eine KI aus DNA-Informationen der Whistleblowerin Chelsea Manning. Trotz gleicher Befehle erhielt die Künstlerin jedes Mal unterschiedliche Versionen. Digitale Verirrungen thematisiert auch die „Cryptogallery“ von Christoph Faulhaber, die sich mit Betrügereien in der Welt der Crypto-Currencies beschäftigt. Die Arbeit besteht aus einer nur virtuell existierenden Ausstellung von NFTs.
Andere Arbeiten beschäftigen sich mit den faszinierenden Möglichkeiten von KI. Christian Kosmas Mayer bringt etwa anhand archäologischer Funde mit sprachmotorischen Algorithmen einen seit 2.000 Jahren toten Menschen zum Sprechen (Bild u. li.). Damit verweist er auf Gedankenspiele des Posthumanismus, nach denen Menschen künftig möglicherweise nach ihrem Tod digital weiterleben könnten.
„Bei den gezeigten Werken stellen die KünstlerInnen immer auch die Frage nach einer ethischen Verantwortung im Umgang mit KI“, erklärt Isabel Kucher vom Kunstmuseum. Zugleich machen die Arbeiten die komplexen Zusammenhänge von KI begreifbar.
Dieses Ziel hat auch das Begleitprogramm zur Ausstellung. Gemeinsam mit dem Stuttgarter Zentrum für Simulationswissenschaft und dem Cyber Valley Stuttgart/Tübingen will es über KI-Anwendungen aufklären. Beides sind Organisationen, die auf dem Feld der KI forschen. Neben Kursen in der Kunstvermittlung für Kinder und Jugendliche veranstaltet das Haus in den nächsten Monaten Events, etwa eine Podiumsdiskussion zum Thema „Wer bestimmt, was die KI können darf?“
SHIFT. KI und eine zukünftige Gemeinschaft [4.2.-21.5., Kunstmuseum, Kleiner Schlossplatz 1, S-Mitte, Di-Do+Sa-So 10-17, Fr 10-20 Uhr, www.kunstmuseum-stuttgart.de, Eröffnung: 3.2. 19 Uhr]