Flügelschlag

Kaas von den Orsons ist back mit einem neuen Solo-Album
Die erste Single „Ich hasse meinen Job“ war ein Banger und geht nicht mehr aus dem Kopf, „Sag jetzt nichts“ und „Hart mich zu lieben“ erlaubten dann einen Blick ins Innere von Lukas Michalczyk aka Kaas von den Orsons – am 14. April kommt schließlich das ganze Album „Flügelschlag“. Kaas ist zurück auf der Solo-Bühne und spricht beim Cover-Shooting mit LIFT über Jobs, Outfits und Brettspiele.
LIFT First things first: Du hasst deinen Job?
Kaas (lacht) Schöne Einstiegsfrage. Nein, das Lied handelt tatsächlich von früher, ich wollte das Album ursprünglich als Oper gestalten oder als Musical, das eine ganze Geschichte erzählt. Ich wollte meine Reise vom schüchternen Küchenhilfe-Typen, der seinen Job hasst, zum Künstler, der sich auf die Bühne traut und dort alles gibt und merkt, dass das voll seins ist, erzählen. Das sollte die Anfangsszene des Musicals sein. Ich habe es damals wirklich gehasst, weil’s mir zum einen die Zeit weggenommen hat, die ich eigentlich hätte im Studio verbringen können, zum anderen waren die Nachtschichten bei Burger King, nach denen man immer nach Frittenfett gerochen hat für damals noch sieben Euro die Stunde oder so, nicht gerade angenehm. Wobei ich nicht alles daran gehasst habe, es sind immer bestimmte Momente, die man hasst, Nachtschichten am Wochenende oder so. Aber jeder kennt ja diesen Tag, an dem man einfach keinen Bock hat.
LIFT Warum wolltest du es ausgerechnet in einem solchen Format machen?
Kaas Ich träume seit jeher davon, so ein Album zu machen. Prince Paul von den Gravediggaz, unter anderem auch Produzent für De La Soul, hat auf einer Platte eine komplette Story vertont oder auch The Streets mit ihrem zweiten Album oder Kendrick Lamar mit „Good Kid, M.A.A.D City“ – solche Alben fand ich immer mega inspirierend. In der heutigen Zeit lohnt es sich ja fast nicht mehr, etwas anderes zu machen: Entweder du droppst Singles oder du machst ein krass zusammenhängendes Album.
LIFT Warum?
Kaas Weil das Album-Format mittlerweile etwas ganz Besonderes haben muss, damit es von vorne bis hinten angehört wird. Die Zeit ist halt so kurzlebig. Ich habe heute zum Beispiel eine Single herausgebracht und gleichzeitig kamen nur in der Sparte „Rap Music“ 60 Songs von anderen KünstlerInnen raus – das kann man gar nicht alles hören. Ich gehe da von mir selbst aus: Ich höre nur Alben, wenn sie ein krasses Gesamtwerk sind.
LIFT Welches Album hast du dir von vorne bis hinten durchgehört?
Kaas Während meiner Albumphase haben ich ausschließlich „Damn“ von Kendrick Lamar in Dauerschleife gehört. Ich hatte mitbekommen, dass Kendrick während der Entstehungsphase von „Damn“ die ganze Zeit „Blonde“ von Frank Ocean gehört hat und dachte „geil, so mache ich das auch“. Ich habe es auf dem Weg ins Studio, auf dem Rückweg vom Studio, beim Sport… einfach die ganze Zeit gehört und bin richtig eingetaucht in den Sound. Es ist ein fucking Meisterwerk.
LIFT Warum bist du von dem Musical-Konzept abgekommen?
Kaas Im Mai 2020 ist mein Vater überraschend verstorben, das hat mich komplett aus der Bahn geworfen. Ich konnte anderthalb Jahre nicht weiter daran arbeiten. Die Hälfte des Albums ist nach ursprünglichem Konzept, der Rest ist Trauerbewältigung. Ich habe ihm zum 60. Geburtstag einen Urlaub geschenkt, er wollte immer nach La Palma. Ich hatte mein Set-up dabei und wir haben zum ersten Mal ein Lied zusammen geschrieben und gemeinsam Musik gemacht. Im Anschluss hat er mir immer Texte von sich selbst per Mail geschickt, das habe ich gefeiert. Und während der Trauerbewältigung, in der Zeit, in der ich wieder ins Studio gegangen bin, waren diese Mails mit seinen Texten wieder so präsent und lagen auch schwer auf meinem Gewissen. Denn er wollte mit mir zusammen weiter daran arbeiten, aber wie es so ist, sieht man sich dann doch zu selten. Im Geiste habe ich dann die Texte weitergearbeitet und mit ihm gesprochen.
LIFT Gibt es den gemeinsamen Song noch?
Kaas Ja, er hat ihn auch eingesungen. Es ist krass, ihn jetzt zu hören. Aber auch sehr schön, so etwas zu haben. Der Song ist aber nicht auf dem Album drauf. (denkt nach) Es ist auch irgendwie ein komisches Album, es tut immer weh, wenn ich mich mit dem Album beschäftige und darüber rede. Ich bin auch schon gespannt, wie es dann auf Shows ist. Ich habe immer meine Zweifel, ob das so cool ist, dass ich meine Trauer mit der Platte so verarbeitet habe. Dann muss ich mir selber erklären, dass ich auch Songs in der Trauerphase hatte, die mir weitergeholfen haben. Deswegen muss ich diese Lieder jetzt auch machen.
LIFT Du trägst gerade dasselbe Outfit wie im Musikvideo zu „Sag jetzt nichts“. Welche Rolle spielt es?
Kaas Angefangen hat das Ganze damit, dass ich super unsicher war, wenn ich auf die Bühne gegangen bin und nicht wusste, was ich anziehen soll. Das hat mich teils voll belastet. Auf einer Writing Session hat dann jemand erzählt, dass es einen Produzenten gibt, der den ganzen Kleiderschrank nur mit gleichen Outfits voll hat, sodass er sich morgens keine Gedanken machen muss, was er anzieht. „Da seh‘ ich mich auch“, habe ich gedacht, das hat mich inspiriert. Eigentlich bin ich aber seit Jahren auf der Suche nach meinem „letzten Outfit“, nach meinem Karl-Lagerfeld-Look, nach dem einen Stil, der absolut Ich ist. Auch musikalisch ehrlichgesagt, aber ich bin noch nicht fündig geworden.
LIFT Stellst du die Outfits selbst zusammen?
Kaas Meine beiden aktuellen Signature-Outfits (ein helles und ein dunkles) sind von Akikuma aus Esslingen. Das sind zwei sehr talentierte Brüder, die haben ein eigenes Modelabel und machen auch Designs und Outfits. Kreiert haben sie die Outfits nach der Idee von Daniel Wenhardt, der auch mein Artwork fürs Album macht. Er kam auf die Idee, dass man jedes Outfit an einen Schmetterlingsflügel anlehnen könnte, das Album trägt ja auch den Namen „Flügelschlag“.
LIFT Stichwort „Flügelschlag“ – warum heißt das Album so?
Kaas Das war Barteks Idee, ich hatte lange den Arbeitstitel „Hochspannung“ im Kopf. Es gibt aber ein Brettspiel, das „Flügelschlag“ heißt. Das war Spiel des Jahres 2019. Du bist Vogelforscher und musst Vögel anlocken. Das Witzige ist: Man kann es allein spielen, mit einem simulierten Mitspieler. Das habe ich oft gespielt während der Trauerbewältigung, habe dabei nachts auf das Foto meines Vaters geschaut und zu ihm gesprochen. Und am Ende habe ich alle genervt mit dem Spiel, weil ich wollte, dass sie’s mit mir spielen. (lacht)
Interview: Petra Xayaphoum

Kaas – Flügelschlag
[ab 14.4., Chimperator]
