Kunst im öffentlichen Raum

Stuttgart will sich beim Thema Kunst im öffentlichen Raum neu erfinden

In Stuttgart gibt es etliche Kunstwerke, die im öffentlichen Raum stehen. Stuttgart gilt sogar als eine der Großstädte, in denen besonders viele solcher Arbeiten zu sehen sind. Darüber brauchen wir uns nicht zu wundern.

Permanent auf öffentlichem Grund ausgestellte Kunst zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass sie beim Aufstellen interessant ist, dann jedoch kaum mehr wahrgenommen wird. Wer weiß beispielsweise, dass es sich bei den blauen Beleuchtungstreifen an der Decke des Planie-Tunnels um Kunst handelt?

Auch aus diesem Grund plant die Stadt Stuttgart ihre bisherigen Verfahren in Sachen Kunst im öffentlichen Raum neu zu konzeptionieren. Vor allem soll es mehr temporäre statt permanente Kunstprojekte geben.

Bei einer kürzeren Dauer, in der die Kunst eine Veränderung im Stadtraum erzeugt, sei mehr Beachtung gewährleistet, so die Argumentation. Zudem kann  die Kunst so näher dran sein an Themen, die die Gesellschaft aktuell beschäftigen. Auch das Spektrum an Kunstformen ist temporär großer.

Überlegungen wie diesen ging eine Reihe an Vorkommnissen voraus, die Probleme in der derzeitigen Handhabe offenbaren.  Stuttgart war in den vergangenen Jahren berüchtigt für seinen nachlässigen Umgang mit Kunstwerken im Stadtraum. Für Aufsehen sorgte etwa das zur Internationalen Gartenschau 1991 errichtete Werk des Konzeptkünstlers Herman de Vries. Das „Sanctuarium“ (Bild u. li.) sollte am Pragsattel ein kleines umzäuntes Stück Natur bewahren. 2018 hat es allerdings das Gartenamt im Rahmen einer „Pflegemaßnahme“ einfach völlig abrasiert.

Auch die verfallenen Skulpturen des Künstlers Otto Hajek in der Hasenbergsteige in Stuttgart-West sind seit Jahren ein Trauerspiel. Als vergangenes Jahr der Abbau von Peter Lenks temporär geplantem S21-Kunstwerk am Stadtpalais Ärger auslöste, wurde klar, dass es neuer transparenter Regelungen bedarf.

Das Kulturamt arbeitet nun an einem „Stuttgarter Modell“, das „beispielhaft für zukunftsfähige Kunst im öffentlichen Raum ist.“ Langfris­tig soll ein „lokales wie internationales Programm“ etabliert werden. Dabei geht es etwa um mehr Teilhabe der Stadtgesellschaft.

Bestehende Werke sollen zudem durch temporäre zeitgenössische Projekte neu interpretiert und diskutiert werden – besonders his­­torische Werke, etwa aus der Kolonialzeit. Auch die aktuelle, durchaus reichhaltige, aber komplizierte Kunstförderkultur der Stadt ist Teil der Erneuerung.

Die lokalen Kunstschaffenden könnten dadurch im öffentlichen Raum sichtbarer werden. Im Juni lud sie das Kulturamt daher gemeinsam mit dem Festivalteam von „Current – Kunst und urbaner Raum“ zum Ideenaustausch ein. Das Interesse an der Veranstaltung war groß – genau wie der Wunsch, die Förderung zu entbürokratisieren und transparenter zu gestalten.

Ein Vorbild für die Pläne bietet die Stadt München. Die ist seit Jahren bekannt für vielbeachtete Kunstfestivals und temporäre Kunstaktionen. Auch der Bestand ist dort in besserem Zustand. Grundlage für Münchens Erfolgsgeschichte ist allerdings ein Ratsbeschluss aus dem Jahr 2000, der dafür sorgt, dass 1,5 Prozent aller städtischen Bauinvestitionsmaßnahmen in die Kunst fließen müssen.

Solch eine Basis hat das Stuttgarter Kulturamt nicht. Immerhin hat der Rat für die Neuentwicklung dieses Jahr eine Million Euro bewilligt und 2,5 neue Stellen geschaffen. Kulturamtsleiter Marc Gegenfurtner betonte daher, dass nun erst einmal ein Pilotprojekt erarbeitet werde, voraussichtlich fürs kommende Jahr. „Die weitere Ausgestaltung wird aber von den künftigen Haushaltsberatungen im Gemeinderat abhängen“.

Was nach den finanziellen Auswirkungen von Pandemie und Energiekrise vom „Stuttgarter Modell“ bleibt, wird sich also noch zeigen müssen.

Fabian Stetzler

 

[www.current-stuttgart.de]

[www.stuttgart.de/kultur/kulturelle-vielfalt/bildende-kunst.php]

 

Dieser Artikel ist aus LIFT 08/22

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