Das Ice Café Adria schließt
Wie werde ich den Nachbarn los – in nur 14 Monaten?

„Robbi, das fette Einhorn, hat gewonnen.“ Die Macher des Ice Cafè Adria haben nicht mehr viel zu sagen, die Metapher für den anhaltenden Konflikt zwischen ihnen, den Anwohnern und der Stadt sagt aber auch schon alles. Der Irrsinn hat gewonnen, die Bar in der Eberhardstraße schließt zum Ende März ihre Türen.
Wie es soweit kommen konnte, dass die Macher, die mit ausgesuchtem Musik-Programm und kulturellen Events wie dem Comic-Festival „Comic Juju“ die Stuttgarter Subkultur wesentlich mitgestalten wollten und das auch haben, nach 14 Monaten kapitulieren?
Man lerne am folgenden Beispiel: Angefangen hatte das Ganze mit Lärmbeschwerden eines Nachbarn, der „nicht mehr in Ruhe auf seinem Balkon sitzen konnte“, erinnert sich Heitzmann, einer der drei Betreiber. Man versuchte sich darum zu kümmern, stellte einen Türsteher an, der für Ordnung sorgen sollte. Fall gelöst? Von wegen.
Wegen anhaltender Beschwerden stand die Polizei von nun an öfter auf der Matte, erzählt das Betreiber-Team. „Und wenn hier zwölf Beamte reinkommen, dann ist der Abend unter Umständen gelaufen“, gibt Heitzmann zu bedenken. Das geht ins Geld und auf die Nerven. Von der Pressestelle der Polizei heißt es: „Es kam durchaus gelegentlich zu verschiedenartigen Beschwerden gegen das Ice Café Adria, denen die Kollegen natürlich nachgehen müssen. Aber wir sind hier in der Innenstadt, da kommt das schon mal vor.“ Ob es im Vergleich zu ähnlichen oder benachbarten Lokalen besonders viele waren, vermag man allerdings nicht zu sagen.
Währenddessen sorgten die beim „Vulvafest“ anlässlich des Weltfrauentags auf die Fassade der Bar gemalten Geschlechtsteile für weitere Aufregung. Sätze wie „Ihr passt hier einfach nicht her“ und „Ich zerstöre deine Existenz“ sollen seitens der Anwohner gefallen sein.
„Auf dem Platz vor der Bar soll es jetzt bei geschlossener Tür komplett still sein, Getränke dürfen nicht mit rausgenommen werden, es darf nicht getanzt werden“, rattert Heitzmann den Auflagenkatalog herunter. Kaum möglich für einen Nachtbetrieb. Aber man versuchte nachzujustieren: Das Mischpult wurde in die Ecke versetzt, sodass keine Club-Atmosphäre aufkommt, man installierte einen Dezibelmesser. Die Beschwerden hielten an.
Als die Betreiber einen Dialog mit den Anwohnern und der Stadt suchten, waren sie wenig erfolgreich, nur mit vereinzelten Nachbarn kamen Gespräche zustande.
Dass die Bar in den vergangenen Monaten wiederholt Opfer von Buttersäure-Anschlägen wurde, setzte dem Ganzen die Krone auf. „Wir hätten gerne weitergemacht, aber so geht es einfach nicht“, ist sich das Team einig.
Vor allem seitens der Stadt hat man sich mehr Vermittlungsbereitschaft und Support erhofft. Dass sie als Betreiber ständig in der Bringschuld seien, ohne, dass jemals überprüft wurde, ob die Vorwürfe überhaupt zutreffen, finden sie nicht fair. Eine Lautstärkemessung etwa hätte Licht ins Dunkel des Konflikts gebracht, sagt Micha Rieger, der Zweite im Bunde.
Ninette Sander, Betreiberin des White Noise Clubs ein paar Häuser weiter, sieht die Situation kritisch: „Man muss sich Gedanken machen, was man für ein Zeichen setzt: Will man seine Innenstadt mundtot machen?“ Sie selbst hat mit ihren Nachbarn Glück gehabt: „Das sind sehr vernünftige Leute.“
Falls ihnen aber doch was auf den Keks gehen sollte, wissen sie jetzt, mit welcher Strategie sie einen loswerden: Der mit dem längeren Atem gewinnt. Schade.