Vom Spaziergang zum Erlebnis

Geocaching führt raus aus Stuttgart

In coronären Zeiten werden viele Hobbys ausgegraben, für die sonst immer die Zeit fehlt – Nintendo, Brettspiele und Puzzles erleben ihr Revival. Doch was wäre, wenn man dem noch ein Upgrade verpassen könnte?

Unser Tipp, um den Lagerkoller zu vermeiden: Geocaching. Wer denkt, dass die Routen langweilig und die Schatzkisten längst leer sind, hat sich nicht genug damit beschäftigt. Die GPS-Schatzsuche ist nämlich die perfekte Gelegenheit, mit viel Abstand den Alltag aufzupeppen und auch mal den Kessel zu verlassen.

Routen gibt es sowohl vor der eigenen Haus-tür als auch einen Tagesausflug weit entfernt. Oftmals sogar an Orten, an die man sonst nie gekommen wäre.

Bevor man sich auf die Socken macht, muss einiges beachtet werden: Ein GPS-fähiges Smartphone ist das wichtigste Gut des professionellen Geocachers. An zweiter Stelle: eine App, die die Tour bereitstellt. Empfohlen wird die App von Groundspeak [www.geocaching.com/software]. Sie war 2000 die erste auf dem Markt und hat sich seitdem bewährt. In der kostenlosen Basisversion gibt’s alles, was Einsteiger brauchen – Anfänger-Routen und Anleitungen inklusive.

Ursula Grass, leidenschaftliche Cacherin und Co-Autorin des Blogs Geocaching BW [www.geocachingbw.de], weiß, worauf es ankommt. Jahrelange Erfahrung, erfolgreiche Suchen auf der ganzen Welt und eigens kreierte Touren haben die Sonderschulrektorin zur Expertin gemacht.

„Das wichtigste ist, den passenden Cache-Typen herauszusuchen. Die grünen zum Beispiel sind die Tradis, traditionelle Caches. Das bedeutet, man sucht die Schatzdose an den angegeben Koordinaten.“ Diese Caches, also Verstecke, sind vor allem für Anfänger geeignet und können einzeln gesucht werden. Durchnummerierte Caches zeigen an, dass es sich um eine Tour handelt, bei der nacheinander mehrere Verstecke gesucht werden. Perfekt, um den Spaziergang aufzupeppen oder endlich mal wieder ein Grund, einen Tagesausflug zu machen. So lässt sich die Region auf eine ganz neue Art und Weise zu erkunden.

„Wenn man sich eine gute Tour aussuchen möchte, schaut man, welcher Cache besonders viele Favoritenpunkte hat“, sagt Grass. Ein besonders gutes Versteck wird mit mindestens 100 Punkten bewertet.

Für Fortgeschrittene eignen sich auch andere Arten von Caches. Dazu gehören der gelbe Multi- oder der mit einem Fragezeichen versehene Mystery-Cache. „Bei einem Multi muss man an verschiedenen Stationen Aufgaben lösen, um zum Schluss an die Dose zu kommen“, so Ursula Grass. Um den Mystery-Cache zu finden, werden Rätsel gestellt, deren Lösung dann die Koordinaten des Verstecks ergeben. Ganz schön einfallsreich.

Bleibt man als Einsteiger bei den Tradis, merkt man schnell – auch die sind ganz schön verschieden. „Für den Anfang ist es gut, sich leichte Caches rauszusuchen. Das heißt, ich achte auf den Schwierigkeitsgrad. Der sollte höchstens bei zwei von fünf liegen.“

Genauso verhält es sich mit der Geländebewertung. Stufe eins heißt, auch ein Rollstuhlfahrer kann die Dose finden und heben. „Fünf bedeutet, dass man eine Spezialausrüstung braucht – zum Klettern oder zum Tauchen zum Beispiel. Manchmal benötigt man sogar ein Boot“, erklärt Grass.

Die Angabe der Cache-Größe hilft dann dabei, den Schatz tatsächlich ausfindig zu machen. Vom Fingerhut über die Butterbrotdose bis hin zum ganzen Haus ist alles dabei. Kennt man die Größe, weiß man, wonach man Ausschau halten muss.

Dauert es etwas länger, gilt: tief Luft holen und Ruhe bewahren. Die Geocache-Expertin weiß: „Die Koordinaten in der Beschreibung geben zwar den Ort an, aber sie sind nie ganz genau. Ein paar Meter kann der Cache immer abweichen.“

Auch die Attribute geben Aufschluss über die Route: So gibt es Caches speziell für Kinder, mit Hunden, mit Parkplätzen in der Nähe – oder mit besonders schöner Aussicht. „Das tollste am Geocaching ist, dass es einen an die schönsten Orte der Natur führt“, schwärmt Ursula Grass. 

Für Kinder ist das Finden bestimmter Caches vor allem dann ein Highlight, wenn kleine Gegenstände darin versteckt sind. Diese darf man als Trophäe behalten – allerdings nur, wenn man sie durch etwas gleich- oder hochwertigeres austauscht.

Wenn man Urlsula Grass nach Routen-Tipps fragt, wird sie geheimnisvoll, denn über die Verstecke darf in der Community nicht zu viel verraten werden. Irgendwann rückt sie aber doch noch mit der Sprache raus und empfiehlt eine Route hinter Stuttgart-Rohr. Hier kann der sogenannte Kreativcache [www.geocaching.com/geocache/GC43M3V_kreativcache] gefunden werden. Mit einer Schwierigkeits- und Geländebewertung von jeweils zwei Punkten ist die Tour durchaus für Einsteiger und Kinder geeignet. Sieben Stationen plus Bonusstation müssen auf einer Strecke von vier Kilometern gefunden werden und beinhalten kreative Aufgaben, die gelöst und als Beweis fotografiert werden müssen. Die erste Aufgabe: Aus dem im Cache beiliegenden Material ein Bauwerk zusammensetzen.

Wer weiter weg möchte, packt Kind und Kegel ins Auto und braust ins schöne Nagoldtal im Schwarzwald. Im kleinen Örtchen Agenbach beginnt die Cache-Tour Teufelrunde [www.geocaching.com/geocache/GC2ZRV4_nr-01-teufelsrunde-nagoldtal-geocaching]. Mit insgesamt 32 Stationen auf etwa  zwölf Kilometern hat es die Route ganz schön in sich – aber psst: Alle Teilnehmer mit weniger Zeit und Kondition dürfen zwischen Station 17 und 28 auch gerne abkürzen. Die Tour macht auch Kindern viel Spaß und verspricht eine grandiose Aussicht. Dank dem Schwierigkeits- und Geländegrad von zwei Punkten lassen sich die Wege mit dem Kinderwagen und dem Rad gut befahren.

Nicht vergessen: Hat man das richtige Versteck gefunden, trägt man sich in das darin versteckte Logbuch ein und hinterlegt den eigenen Triumph in der App. So behält man den Überblick und kann voller Stolz auf die geschafften Caches zurückblicken.

Übrigens: Nicht-Geocacher werden im Fachjargon Muggel genannt. Wie beim Zauberklassiker Harry Potter wird die magische Geocachingwelt vor ihnen geheim gehalten.

Dieser Artikel ist aus LIFT 12/20

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