Slava Mogutin - Lost Boys

Hinweis: Diese Veranstaltung liegt in der Vergangenheit. 

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Die Galerie Kernweine widmet sich dem kontroversen wie komplexen Austragungsort der diesjährigen WM mit einer Ausstellung des russisch-amerikanischen Fotografen, Autors und Multimedia-Künstlers Slava Mogutin. Als erster Russe versuchte er in den 90er Jahren eine gleichgeschlechtliche Ehe zu registrieren. Das endete zwar mit seinem politischen Asylgesuch in den USA, doch bis heute ist er ein berühmter und unverdrossener Aktivist für die Rechte von Homosexuellen in seinem Heimatland. Seine Serie „Lost Boys“ wird bis September in Stuttgart ausgestellt. Mit LIFT-Redakteurin Tanja Kuzmenko spricht er über Jugendkultur, Heimat und schwule Utopien.

 

LIFT Die Fotografien in „Lost Boys” sind größtenteils in den frühen 2000ern in Russland entstanden, zeigen aber auch junge Männer in Berlin und New York City. Was verbindet diese sich doch eher fremde Orte?

SLAVA MOGUTIN Die Serie „Lost Boys” ist entstanden, als ich nach dem Erhalt meines politischen Asyls in den USA wieder ins Ausland reisen durfte. Dieses Gefühl von Freiheit und einer neu gefundenen Heimat offenbart sich in den Bildern. Sie stehen auch für die Verbundenheit der verschiedenen Kulturen und Orte, etwa zwischen Russland, den USA und Ländern wie Deutschland, wo ich eine Porträt-Serie von homosexuellen Skinheads und Fußball-Hooligans aufgenommen habe. Ich habe mich schon immer als Bürger der Welt verstanden und wollte mit der Serie zeigen, wie all diese Kulturen und Gemeinschaften friedlich koexistieren können. Sie ist eine schwule Utopie, ein globales Dorf, in dem Diversität ein Segen und kein Fluch ist. Meine gesamte Arbeit versucht, mit Tabus und politischen Stereotypen zu brechen und ideologische Barrieren zu überbrücken.

 

LIFT Wie persönlich ist diese Arbeit?

MOGUTIN So wie meine lyrische und journalistische Arbeit sind auch meine Fotografien stets ehrliche Dokumentationen der Leben, die ich führe, und der Welten, die ich bereise. „Lost Boys“ besteht aus Bildern meiner Freunde und Liebhaber, meines Neffen Dimitri und der Menschen, denen ich begegnete. Es ist außerdem eine sehr nostalgische Serie. Denn es war das erste Mal, dass ich mein Land und meine Familie nach Jahren nach der sehr dramatischen und traumatischen Trennung besucht habe.

 

LIFT Inwiefern beeinflusst diese persönliche Trennung von Ihrer Heimat Russland Ihre Kunst?

MOGUTIN Ich habe die ersten 21 Jahre meines Lebens in Russland verbracht, und lebe seit über 20 Jahren in New York – ich fühle mich mittlerweile zu beiden Teilen gleich russisch wie amerikanisch. Diese Dualität ist in meiner Arbeit und allem was ich tue präsent. Als ich gezwungen war, Russland zu verlassen, habe ich aus meinem Exil und meiner Immigration eine kreative Erfahrung gemacht. Das Erlebte hat mich als Autor geformt und dazu gedrängt, mich als visueller Künstler neu zu erfinden. Ich glaube, dass Kunst und Poesie die Welt verändern und retten können.

 

LIFT Der Titel der Ausstellung suggeriert Verletzlichkeit, die Männer in ihren Aufnahmen wirken aber selbstbestimmt und selbstsicher. Ist es dieser Widerspruch, der sie an Jugendkulturen fasziniert?

MOGUTIN Die Jugend ist stets an der vordersten Front politischen und sozialen Wandels. Ich gehöre zu der letzten Generation, die im Kommunismus geboren ist. Als Teenager habe ich den Kollaps der Sowjetunion und die Revolution, die darauf folgte, erlebt. Ich sah, wie sich junge Menschen wie ich auflehnten. Man kann durchaus sagen, dass mein Interesse an Jugendkultur aus diesem Sinn für Rebellion und Befreiung motiviert ist. Dieser ist heute besonders in Putins Russland erkennbar oder in der Unzufriedenheit der amerikanischen Jugend unter Trump, die oft in tragische Massenschießereien resultiert.

 

LIFT Wie empfinden Sie die aktuellen Entwicklungen in Russland?

MOGUTIN Das heutige Russland unterscheidet sich enorm von dem Land, in dem ich aufgewachsen bin. Die Männer, die ich in den frühen 2000ern dokumentiert habe, geben heute den Ton an. Sie kommen aus der Generation, die Putin an die Macht gewählt hat. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern und zu verstehen, wie es dazu kommen konnte. Ich werde sentimental, wenn ich an die kurze Periode der Freiheit vor Putins Regime denke. Die meisten Russen würden sich diese Zeit niemals zurückwünschen, doch für mich waren es Jahre eines wunderschönen Verfalls. Aber es gibt weder einen Weg, noch hat es Zweck und Sinn, die damaligen Zustände wiederherzustellen. 

 

LIFT Was halten Sie davon, dass Russland nun die WM austrägt?

MOGUTIN Ich glaube, dass die WM eine gute Gelegenheit bietet, in einen Dialog über wichtige Themen in Bezug auf Russlands Rolle in der Welt zu treten. Die politische und wirtschaftliche Isolation stärkt Putins Regime. Die Sanktionen aus dem Westen schaden gewöhnlichen Bürgern, während sie Putins Macht zementieren. Ich glaube an kulturelle Diplomatie, Brücken und offene Grenzen – nicht an Sanktionen, Mauern und Kriege.

slavamogutin.com 

Ausstellung
So 10.06.2018
Galerie Kernweine
Cottastr. 4-6
70178 Stuttgart-Süd
Galerie Kernweine
Cottastr. 4-6
70178 Stuttgart
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